Der goldene Herbst ist leider Vergangenheit.
In den Ecken und Schatten lauert schon der Winter.
Es regnet häufig heuer.
Das Jahr ist fast vorbei.
Zeit für einen Rückblick:
MEIN FOTOGRAFISCHER WORTSCHATZ
Ich glaube fest daran, dass man bestrebt sein sollte, die beste Version seiner selbst zu werden.
Ich stehe fest mit beiden Beinen in der Landschaftsfotografie. Ich fühle mich sehr wohl in diesem Sujet, weil ich gerne in der schönsten Natur stehe.
Ich bin ein Ästhet, in allem, was ich tue, strebe ich danach, es auf eine schöne Art und Weise zu machen. Ich will in meiner Fotografie eloquenter werden.
Meine Ausdrucksmöglichkeiten erweitern und ausfeilen. Ich will ein besserer und kompletterer Fotograf sein, als ich es heute bin.
Seit Jahren sammele ich Fotobände von großen Meistern der Streetfotografie.
Die Fotografie eines Harry Gruyaert finde ich wunderschön. Ebenso inspirierend sind die Werke des großen Meisters der Farbfotografie Ernst Haas.
Ich verehre Saul Leiter, diesen bescheidenen Mann mit seiner wunderbar leisen, aber profunden Vision!
Ich möchte auch so etwas können! Ich möchte diese Sprache sprechen! Ich will das lernen, ich will ein neues Sujet für mich erkunden. Ich will eine weitere Sichtweise auf die Welt weiterentwickeln.
MEINE SEHNSUCHT NACH DER STREET PHOTOGRAPHY
Die Fotografie ist für mich ein Katalysator, ein Erlebnisverstärker, wenn man so will.
Über die Fotografie nehme ich die mich umgebende Welt viel intensiver wahr. Alles ist fokussiert auf das Hier und das Jetzt. Meine ureigene Definition eines glücklichen Daseins!
Das ist für mich das „Mana“, der Zauber, der mich immer und immer wieder dazu anspornt, rauszugehen, um meine Umwelt wirklich und wahrhaftig zu sehen. Ich will raus in die Stadt. Denn Stadtluft macht frei, ich will diese Luft atmen und dabei das Leben und Treiben in meinen Sehnsuchtsstätten im wahrsten Wortsinne. e r l e b e n .
So kam es denn, dass ich mich im Mai dieses Jahres aufmachte, um die Stadt der Städte, die grand old dame der Weltstätte anzufliegen, um mich dort mit Haut und Haaren dem Alltag hinzugeben.
ZWEI MONATE LEBEN UND ARBEITEN IN ISTANBUL
Ich fotografiere nicht auf Reisen, ich verreise, um zu fotografieren. Wenn man das dann auf die Spitze treibt, dann lebt und arbeitet man in dem Ort, den man fotografisch für sich interpretieren möchte.
Genau das habe ich gemacht! Im Mai habe ich geschaut, wie es sich in Istanbul lebt und arbeitet. Im September habe ich einen ganzen Monat lang, jeden einzelnen Tag fotografierend Istanbul genossen.
SCOUTING FÜR KOMMENDE FOTOREISEN
Ich habe als Anbieter der besten Fotoreisen der Welt natürlich den Anspruch, Orte auf ihre Fotogenität hinzuerkunden. Schauen, wo das Licht zu welcher Tageszeit die besten Fotos ermöglicht.
Ich bin ein Jünger des Glaubens, dass es das Licht ist, das am Anfang und am Ende eines jeden guten Fotos steht. Dieses Prinzip gilt in jedem fotografischen Sujet!
Ich hatte im Vorfeld eine ganze Reihe von Locations ausgesucht, die ich einer näheren Betrachtung unterziehen wollte.
In meiner Zeit in Istanbul konnte ich viele Orte besuchen und fotografisch interpretieren.
FOTOGRAFISCHE HOTSPOTS
Istanbul ist von jeher eine sehr häufig besuchte, besungene, gemalte und eben auch fotografierte Stadt.
Die meisten Fotografen wohnen im europäischen Teil, was insofern Sinn macht, als dass sich hier halt die ganzen „touristischen Sehenswürdigkeiten“ wie die Hagia Sophia, die Blaue Moschee und der Topkapi Palast finden lassen.
Alles Sachen, die ich in meiner Zeit habe liegen lassen. Einfach weil diese Orte allesamt extrem überlaufen sind und mir das Schlangestehen in praller Sonne keine Freude bereitet.
Ich habe mich dann auf andere Leckerlichkeiten im fotografischen Bufet Istanbuls konzentriert.
Gerne stelle ich euch die in meinen Augen attraktivsten Locations im Folgenden vor:
SIRKECI
Dieses Viertel lebt von seiner altehrwürdigen, europäisch geprägten Architektur. Die Gegend um die altehrwürdige Deutsche Orientbank hat es mir hier besonders angetan.
Das Ding ist, dass hier die Sonne morgens und insbesondere abends Lichtstimmungen beschert, die einfach zum Dahinschmelzen sind.
Die alten Gebäude aus der Belle Epoque sind häufig in einem Zustand fortgeschrittenen Verfalls, was sie in meinen Augen für mich, der ich auf desolates, verlebtes und würdevoll gealtertes abfährt, zu einem dankbaren Motiv macht.
EMINÖNÜ
Das hier ist für den Großteil der Besucher Istanbuls das historische Zentrum.
Hier läuft gefühlt alles zusammen, das Basarviertel endet hier. Mit der Yeni Moschee und ihrem kleinen Bruder der Rüştem Paşa Moschee bietet dieses Viertel zwei sehr schöne Sakralbauten, die einem wie Inseln der Ruhe in einem Meer lauter Geschäftigkeit erscheinen.
Ich liebe es, mich hier mit einem eiskalten Wasser in den schattenspendenden Vorplatz zu setzen und die Katzen zu streicheln.
Fotografisch am attraktivsten ist für mich die Basarstraße, die vom Haupteingang der Rüştem Paşa Moschee abgeht.
KARAKÖY
Karaköy heißt auf Deutsch dunkles Dorf. Die Bezeichnung hat ihren Grund in dem Umstand, dass die Häuser hier schon seit jeher hochgebaut und die Gassen sehr eng waren. Dann kommt noch der Umstand dazu, dass die Genueser und andere Europäer wie Venezianer hier ihre Handelshäuser hatten. Seeleute gehörten hier quasi zum Inventar „a rowdie place of town“. Das hier ist einer der ältesten Stadtteile Istanbuls.
Der Galataturm ist hier zu Hause. Die Galatabrücke gehört zu diesem Stadtteil.
Hier kann man zur Mittagszeit, also wenn die Sonne im Zenit steht, absolut köstliche fotografische Juwelen mit nach Hause nehmen. Die Jugend trifft sich hier, man feiert hier viel und man lebt hier genussvoller als anderswo.
BALAT
Seufz, Balat, schönes, kunstvolles, buntes, chaotisches, armes, reiches, schönes, hässliches, buntes und tristes, wundervolles Balat. Das hier ist ein Herzensort für mich. Der Stadtteil befindet sich im Wandel. Wandel nenne ich es, weil ich das hässliche Wort von Gentrifizierung nicht verwenden will.
Balat hat durch Instagram eine gewisse Popularität und aus diesem Grund finden sich auch sehr viele Besucher hier wieder. Man frequentiert die vielen kleinen und kleinsten Cafés, wo die Ureinwohner vom Besucheransturm profitieren wollen.
Hier findet man alles, was das Fotografenherz schneller schlagen lässt. Hier lacht mein Herz, wenn ich um die Straßen schweife. Ich liebe es, mich in ein Café zu setzen und das Leben und Treiben an mir vorbeifließen zu sehen…
DIE PRINZENINSELN
Das ist ein Rückzugsort für die ottonormalen Istanbuler, ganz besonders am Wochenende. Dann packt man seine Badehose ein und setzt sich in die Fähren in die Richtung der Adalar, also der Inseln. Die Prinzeninseln sind anders, eigentlich sind sie in allem das genaue Gegenteil Istanbuls. Alles hier ist leiser, leichter, ruhiger, beschaulicher, langsamer und irgendwie auch melancholischer.
Wer das erleben möchte, geht natürlich Dienstags oder Mittwochs auf die Inseln. Denn an diesen Tagen, kann man die ruhig-melancholische, verträumte und bedachte Atmosphäre am besten genießen. Ich bin gerne hier!
Ich mag es hier, alleine die Fährfahrt ist schon ein Hochgenuss, weil sie aus Kadıköy mit einer Stunde Fahrtzeit einstimmt auf die friedvolle Atmosphäre, die einen auf den Adalar erwartet.
ISTANBULS FÄHREN
Es gibt für mich keine schönere Art, um in Istanbul von A nach B zu kommen als mit der Fähre. Ich finde die alten aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts gebauten und liebevoll restaurierten Fähren wunderschön.
Ist es zu heiß, so sitze ich gerne oben auf den Außendecks, am liebsten im hinteren Bereich, weil hier der Schiffsdiesel mit seinen niederfrequenten, brummigen Vibrationen eine fast schon therapeutische Wirkung auf mich hat.
Die Leute hier sitzen häufig gedankenverloren und schauen aus dem Fenster auf die Wellen des Bosporus.
Kinder spielen und der Teeverkäufer bringt Heiß- oder Kaltgetränke an den Tisch, so man das möchte. Man entspannt und hängt seinen Gedanken nach.
Ich liebe das!
DAS BASARVIERTEL
Hier ist eine Welt, in der es in erster, zweiter oder dritter Linie nur darum geht, wie man an dein und mein Geld kommt.
Das Ding ist, dass man hier sein Geschäft versteht. Man macht das ja seit 1456 schon so.
Mal mehr, meistens aber weniger charmant, wie ich finde. Der Spruch „Hier geht es zu wie auf dem Basar“ könnte nicht treffender sein. Das hier ist eine Welt für sich!
Es ist voll, es ist laut, es ist schnell und es gibt hier viel zu sehen und zu erleben! Alles kann man hier kaufen, in kleinen, in großen und größten Mengen.
Man hört hier alle Sprachen der Welt. Die Großhändler verkaufen hier ihre Ware in Kilogramm an Weiterverkäufer aus der südlichen Hemisphäre. Hier muss man sich Zeit lassen, Inseln der Ruhe sollte man in Anspruch nehmen. Beispielsweise kann man im Vorhof einer Moschee bei Benu Eis köstlichste türkische Eiscreme auf Baklava oder Engelshaar genießen.
Istanbul bietet neben diesen Hotspots natürlich noch eine Fülle von anderen Juwelen, die nicht so bekannt und auch viel weniger besucht sind, als die oben beschriebenen Schwergewichte. Auch für diese hatte ich während meiner Zeit in dieser wunderbaren Stadt Zeit, um sie für mich zu entdecken.
Für mich war es eine neue Erfahrung, meinen normalen Alltag auszulagern in eine andere Welt. Und im Rückblick frage ich mich wirklich und ehrlich, warum ich das eigentlich nicht schon viel früher getan habe?
Aber das wäre wieder eine ganz andere Geschichte. Ich sage Adieu mit meinen Fotos aus meinem Istanbul. Mögen eure Tage erfüllt sein von Licht, Liebe und Gelächter.
Selam ve Saygılar Serdar