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MAXIMALES ABBLENDEN FÜR SCHÄRFENTIEFE VS. BEUGUNGSUNSCHÄRFE

Fotoreise Lofoten, Winter, Schnee, Eis, Polarlicht, beste Fotoreise, Norwegen

Ein immer wieder zu hörender Satz unter Fotografen lautet: ich mache meine Fotos maximal bis Blende 11, darüber hinaus wird es doch unscharf.

Ein für mich funktionierendes Landschaftsbild sollte über mehrerer Ebenen gestaffelt sein, um eine dreidimensionale Tiefe zu erzeugen. Da wären Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund. Alle Ebenen und Objekte im Motiv sollten eine durchgehende Schärfe aufweisen. Ziel meiner Arbeit vor Ort ist es, das Motiv über die komplette Ausdehnung im Bild, soweit möglich, mit nur einer Aufnahme in einer durchgehenden Schärfe darzustellen.

Fotoreise Fotoworkshop Kanaren Teneriffa
Teide © Raik Krotofil @f18

Um das zu erreichen heißt es, Blende zu. ABER- schallt der Aufschrei unter vielen Fotografen, „das wird doch unscharf! Das habe ich überall gelesen, das sagen doch alle, in vielen Foren und in den Facebook-Gruppen.“

Immer wieder höre ich diesen Unsinn, immer wieder die selben Diskussionen über die optimale Schärfe eines Objektivs bei Blende 8.

Natürlich gibt es Diffraktion. Unbestritten ist sie ein Faktum. Doch in meinen Augen wird sie überbewertet, wird herbeigejammert, man fürchtet es, wie der Teufel das Weihwasser. Wehe, Du blendest zu stark ab.

Dröseln wir das Ganze doch einmal auf.

Was ist Schärfe?

In einem Bild sollte ein vorhandener Punkt als Punkt dargestellt werden können. Ist dieser Punkt später im Bild kein Punkt sondern eher ein matschiger Fleck oder Kreis, spricht man von Unschärfe.
Letztlich ist Schärfe im Bild nichts anderes, als ein Kontrast. Nämlich ein Kontrast von Hell zu Dunkel an einer Kante. Je stärker der Kontrast an einer Kante erscheint, desto größer ist der Schärfeeindruck. Schärfen eines Bildes in der Bildbearbeitung ist letztlich das Verstärken von Kontrastkanten, seien es Mikro- oder Makrokontraste. Am Ende kommt es darauf an, was wir mit unseren Fotos machen. In der Vergangenheit habe ich bestimmt 90% meiner Fotos am Monitor angesehen. Viele davon für die Webseiten verkleinert, mal als Cover für ein Zeitungsartikel, gelegentlich ein Fotobuch erstellt, aber auch Drucke in 50×70 für Ausstellungen. Für jedes Ausgabeformat braucht es in der Nachbearbeitung eine andere Schärfungsmethode. In Summe reichte die Ausgabeschärfe meiner Bilddateien für all das aus.

Die Auflösung eines Objektivs

Wir Fotografen geben immer gerne viel Geld dafür aus, wenn uns suggeriert wird, wir bekommen dafür das technisch maximal Machbare und Beste. So wurden im Laufe der vergangenen Jahre die Auflösungen der Kamerasensoren immer mehr nach oben getrieben, Megapixel sind king. Zu hochauflösenden Kameras braucht es natürlich auch hochauflösende Objektive. Die Objektive wurden immer größer, schwerer und teurer. So liegen die Anschaffungskosten für einen guten Kleinbildbody etwa zwischen 2000,- und 3500,-. Sehr gute Weitwinkelzooms kosten nochmals zwischen 1500,- und 2500,- . All diese Werkzeuge sollen also im Grenzbereich unscharfe Fotos erzeugen?

Vergleichen wir doch mal die technischen Details für alle Liebhaber von Pixeln, Physik und Zahlen:

Die MTF-Charts von Objektiven sind im Netz frei zugänglich und daraus habe ich mich bedient.

Canon EF 16-35mm f/4 USM L IS – 16mm
Bei Blende 8 haben wir in der Mitte knappe 3400 Linienpaare, am Rand etwa 3000. Bei Blende 16 in der Mitte 2700 Linienpaare, am Rand etwa 2500.

Sony FE 16-35mm f/2.8 G Master – 16mm
Bei Blende 8 haben wir in der Mitte knappe 4000 Linienpaare, am Rand etwa 3900. Bei Blende 16 in der Mitte 3500 Linienpaare, am Rand etwa 3000.

HD PENTAX-D FA 15-30mm F2.8 ED – 15mm
Bei Blende 8 haben wir in der Mitte knappe 2800 Linienpaare, am Rand etwa 2800. Bei Blende 16 in der Mitte 2600 Linienpaare, am Rand etwa 2500.

Nikon AF-S 14-24mm f/2.8G ED – 14mm
Bei Blende 8 haben wir in der Mitte knappe 3700 Linienpaare, am Rand etwa 3400. Bei Blende 16 in der Mitte 2800 Linienpaare, am Rand etwa 2600.

Tamron 17-28mm f/2.8 Di III RXD – 17mm
Bei Blende 8 haben wir in der Mitte knappe 2900 Linienpaare, am Rand etwa 2900. Bei Blende 16 in der Mitte 2700 Linienpaare, am Rand etwa 2600.

Jetzt nehmen wir mal preisgünstige Objektive in Augenschein.

Canon EF 17-40mm f/4 L USM – 17mm
Bei Blende 8 haben wir in der Mitte knappe 2200 Linienpaare, am Rand etwa 1650. Bei Blende 16 in der Mitte 1850 Linienpaare, am Rand etwa 1550.
(Ich habe diese Objektiv an meiner Canon 5D Mark II noch als Backup, es ist am Rand wirklich weicher und es fehlt im Vergleich zum PENTAX-D FA 15-30mm Auflösung)

Tokina 16-28mm f/2,8 AT-X PRO – 16mm
Bei Blende 8 haben wir in der Mitte knappe 2250 Linienpaare, am Rand etwa 2000. Bei Blende 16 in der Mitte 1900 Linienpaare, am Rand etwa 1700.

Das alles zu recherchieren war mühsam, aber es soll belegen, was wirklich zahlentechnisch am Mythos Beugungsunschärfe relevant für den fotografischen Alltag ist. Nach dem Analysieren der Auflösung anhand der Linienpaare komme ich zu dem Schluss, das Sony FE 16-35mm ist bei Blende 16 immer noch schärfer bzw. löst höher auf, als das Canon EF 16-35mm f/2.8L III bei Blende 8. Ein Canon EF 17-40mm f/4 L USM ist weicher, aber trotzdem prangert ein Coverbild, erzeugt aus den Linsen dieses Objektivs, auf einem NaturFoto-Magazin. Natürlich ist vieles davon relativ, denn der Sensor und seine Auflösung müssen dazu in Bezug genommen werden. Doch es ist ersichtlich, dass hochwertige Objektive beim starken Abblenden immer noch schärfer sein können, als die günstigen Objektive am Sweet Spot.
(Die Größen der Blendenwerte für die Schärfeausdehnung gelten hier exemplarisch für Kleinbildsensoren. APS-C Systeme benötigen ein weniger starkes Schließen der Blendöffnung, um die Schärfeausdehnung im Bild zu maximieren)

Vorbei nun das Vorurteil, abblenden bringt unscharfe Fotos? Ja, es ist keine gute Idee, ein billiges Objektiv mit Gewalt auf f16 oder f18 abzublenden. Die Ergebnisse werden in der Tat ein weicheres Bild produzieren. Doch es spricht in meinen Augen nichts dagegen, hochwertige Objektive so einzusetzen, dass die komplette Schärfeausdehnung im Bild durch das Schließen der Blende erreicht werden kann, und das mit sehr guten Ergebnissen.

Corona Forestal Fotoreise Teneriffa
Corona Forestal © Raik Krotofil – @f18

Striktes Abblenden ist für mich kein Dogma, es gibt Situationen, in denen muss ich ein Fokusstack einsetzen. Oft geschieht es dabei, dass die Fotos aus einer Serie für ein Fokusstack nicht deckungsgleich sind. Durch das Verschieben des Schärfepunkts ändern Elemente im Bild ihr Position, sind also nicht mehr deckungsgleich. Dieser Effekt wird als Fokus Breathing bezeichnet. Doch die Fummelei am Rechner, um alles wieder sauber zu überblenden, raubt mir Lust und Zeit.

Fotoreise Gimsøy Kirke © Raik Krotofil, Lofoten, Winter, Schnee, Eis, Polarlicht, beste Fotoreise, Norwegen
Gimsøy Kirke @f18

Du kannst einfach keine Langzeitbelichtung mit 4 Minuten am Meer machen und danach noch 3 Fotos für ein Stacking mitnehmen. Dort hilft mir nur abzublenden, wenn Teile meines Motivs nah an der Kamera sind und die Berge am Horizont auch noch eine akzeptable Schärfe besitzen sollen. Und dann sind wir beim Thema: akzeptable Schärfe.
Alles im Bereich des Fokuspunkts, oder dem Bereich, auf den ich scharf gestellt habe, ist maximal scharf. Eben so scharf, wie Objektiv und Sensor es auflösen können. Alles davor und danach hat eine Abnehmende Schärfe bis zu dem Bereich, den unser Auge noch als scharf empfindet. Es gilt die optimale Ausdehnung der Schärfe im Bild unterzubringen. 100% durchgehend scharf auf gleichem Niveau, kann ein Bild technisch nicht sein.

Einen sauberen Sonnenstern bekommt man eben nur bei Werten von f16 bis f20 hin. Die Art des Sterns ist abhängig vom Objektiv. Jedes Objektiv hat seine typischen Charakteristika.

Pfälzerwald
Pfälzerwald @f18

An meiner Wand hängen einige Drucke in großen Formaten. Viel davon wurden mit Werten von f16 oder f18 aufgenommen. Keins davon erscheint unscharf!

Meine Entscheidung zu diesem Thema ist, ich habe nur zwei Möglichkeiten:
Entweder mache ich mein Foto, so wie ich es für das Motiv als richtig erachte. Mit einer geschlossenen Blende, dafür von der Fußspitze bis zum Himalaya scharf und könnte dadurch in der Tat einen Hauch an Details und Auflösung vom maximal Machbaren verlieren oder ich lasse es und gehe am Motiv vorbei, denn es könnte ein weicheres Foto dabei entstehen. Ich entscheide mich für „Motiv vor Technik“. Stark abgeblendete Fotos können am Ende ein wenig weicher sein, als Fotos mit einer optimalen Blende. Dafür sind sie aber durchgehend scharf.

Ich selbst kümmere mich wenig um Linienpaar und Charts. Ich gehe raus, mache meine Fotos und habe Freude daran. Habt keine Angst abzublenden und genießt Euer Hobby.

Raik

Manarola © Raik Krotofil
Manarola © Raik Krotofil @f16
Düne 45 Namib Wüste © Raik Krotofil
Düne 45 Namib Wüste
© Raik Krotofil @f16
Fotoreise Cornwall Devon England
Trebarwith Beach © Raik Krotofil @f18
Pfälzerwald © Raik Krotofil @f18
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9 Kommentare Neuen Kommentar hinzufügen

  1. Messmer Martin sagt:

    Wunderbar – DANKE!
    Was man bedenken soll: Es kommt auch auf die Sensorgröße an: Die Blende für maximale Schärfentiefe liegt ca. bei k ≈ 21/Crop, wobei bei dieser „förderlichen“ Blende schon einiges an Auflösung verloren geht (infolge Beugung). Will man die Pixelauflösung nicht unterschreiten, sollte man für k eine Grenze nicht überschreiten:
    k(max) ≈ pp/λ
    … wobei pp = Pixelpitch ist und λ die Wellenlänge des Lichts darstellt. Approximativ kann man also auch wähnen:
    k(max) ≈ 2*pp
    Wenn Du also mit KB arbeitest, wird k ≈ 21 weiteste Schärfentiefe zeigen, aber die Auflösung wäre nur noch etwa 6.4MP groß 🙂 Dies muss noch nicht stören, könnte aber. Bei k ≈ 18 wären dies also noch 8.7MP-Bilder (genügt ja!).
    Ganz gut Licht und liebe Grüße – MM

  2. Hallo Raik,
    danke für deine Recherche. Es ist in der Tat ein auferlegtes Dogma dem man nicht folgen muss. Ich mache auch Aufnahmen mit verschiedenen Schärfeebenen und finische dann am Rechner. Aber ich übertreibe das auch nicht. Die Natürlichkeit sollte doch erhalten bleiben.
    Bleib gesund und vielleicht bis bald.
    VG Silvio
    Masinexoto

  3. Hallo Raik
    Herzlichen Dank für deine Darstellung zum Thema Beugungsunschärfe. So akribisch detailliert ist dein Bericht beschrieben, dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen. Auf jeden Fall sieht man in Dir den Fotografen dem es wirklich ums Motiv geht, und das ist doch das schöne beim Fotografieren.
    Auf jeden Fall freue ich mich schon beim Workshop in der Schweiz und auf wertvolle Tips von Dir
    Liebe Grüße Michael

  4. Yannick Scherthan sagt:

    Absolut richtig. Je wertiger die Verarbeitung, je geringer das Problem beim Abblenden. Sehr gut geschrieben und schöne Beispielbilder.

  5. Raik Krotofil sagt:

    Ja genau, auch bei Telelandschaften muss man unter Umständen stark abblenden.

  6. fotoholly sagt:

    Schon geschrieben und danke für Deine Mühe. So habe ich es auch schon immer gesehen. Bei mir spielt sich das Leiche dann aber eher bei den langen Brennweiten ab: 500mm und mehr. Auch dort fällt die Auflösung bei starkem abblenden ab aber manchmal braucht man die Tiefenschärfe halt. Ist mir inzwischen auch egal. Allerdings sehe ich den Unterschied dann manchmal schon (in meinem Fall sehr feines Gefieder von Vögeln).

    Grüße aus Berlin,
    Holly

  7. Sven sagt:

    Hallo Raik
    das ist auch meine Erfahrung so viele Leute sind einfach nur auf Foren fixiert und machen sich verrückt… Ich bin da total deiner Meinung!

    Danke für diesen Blogeintrag!

    LG Sven

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