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DIE SCOUTINGREISE – WAS IST DAS UND WIE LÄUFT SOWAS AB

Madeira Sunset Fotoreise Madeira

Eine Scoutingreise nach Cornwall & Devon

Zeit ist heute ein knappes Gut. Einen gewissen Freiraum nur für sich und sein Hobby der Landschaftsfotografie zu erhalten, ist eine wundervolle und einzigartige Sache. Dazu dient eine Fotoreise. Eine Reise ohne Störungen, Ablenkungen, Zeit- und Terminplänen, gelenkt und diktiert vom Rhythmus der Gezeiten und dem Licht. Wir sind Fotografen mit Herz und Seele. Wir möchten, dass unsere Kunden eben die Besten Bedingungen für den Fototag haben und bereiten deshalb jeden Tag, jede Location so vor, als würden wir mit dem maximalen Ziel unserer eigenen guten Fotos losfahren.

Grund und Ziel

Bevor wir eine Fotoreise anbieten, bereisen und fotografieren wir die Zielregion selbst. Niemals würden wir eine Reise anderen ungeübten Fotografen offerieren, ohne je selbst vor Ort gewesen zu sein. Uns ist es wichtig, die Eigenarten der Landschaft und die Infrastruktur vor Ort zu kennen. Wir wollen jeden Fotospot selbst mit eigenen Augen sehen, verstehen und die Besonderheiten, die Möglichkeiten und auch die Gefahren vor Ort einschätzen.

Organistaion – Planung und Vorbereitung

Vor einer solchen Reise steht die Planung selbiger. Was will ich überhaupt ansehen? Welche Locations gibt es, welche sind für mich persönlich schön und reizvoll? Es entsteht nach tagelangem virtuellen Scouten von Locations eine Locationtabelle. Schön sortiert nach Tag, nach Location, nach Wichtigkeit, nach den optimalen Uhrzeiten, den theoretischen Tidenständen und den Besonderheiten. Diese Tabelle liegt ausgedruckt auf dem Beifahrersitz. Das Navi ist gefüllt mit all diesen Locations. Das virtuelle Scouten einer potentiellen Fotodestination nimmt gute eine Woche reiner Arbeitszeit in Anspruch. Dazu gesellen sich die Stunden um die Auswahl von Hotels, Mietwagen, Flügen. Wir reden auch hier von rund 2 Arbeitstagen. Wir investieren wohlwissend viel Zeit und natürlich auch Geld in der Hoffnung, dass unser Gefühl für das Reiseziel uns bestimmt Recht geben wird. Doch sicher ist nichts im Leben.

Auf nach Cornwall

Es ist sehr früh an diesem Julisamstag, die erste Propeller-Maschine verlässt den Boden in Stuttgart gegen 05:45 Uhr. Ich bin seit 02.00 Uhr wach und dieser Tag wird lang werden. Beim Check In wurde mein Handgepäck gewogen und die Airline war extremst penibel, was die Abmessungen und das Gewicht betraf. In der Kabine angekommen wurde mir klar warum. Diese kleinen Dash8-Propeller-Maschinen haben ein derart kleines Gepäckfach, dass ich mit Ach und Krach gerade so meinen bereits abgespeckten Santori Rucksack dort rein bekam.

Nach zweieinhalb entspanntem Stunden Flug, wovon ich die Hälfte verpennt habe, lande ich in Newquay. Der Rechtslenker wird in Empfang genommen, das Navi angepfropft und der Weg führt mich ins Zentrum Newquays.
Das Meer hat sich weit zurückgezogen, es riecht salzig, Möwen schreien und das Licht der Morgensonne blendet meine übernächtigten Augen. Kaffee!! Croissant!! Marmelade, ruft mein Hirn. Doch nicht in England, mein Lieber Raik, musste ich feststellen. Ich fand ein kleines süßes Café, welches mich in den nächsten Tagen kulinarisch ein wenig über Wasser halten sollte.

Küste und Leuchtturm in Cornwall

Mein Garmin routet mich am ersten Abend ausnahmsweise mal schnell und ohne seltsame Umwege direkt zu dem Strand an der Westküste. Dort hatte ich den Leuchtturm auf der kleinen vorgelagerten Insel als möglichen Spot ausgemacht. Die Schlepperei beginnt. Der Rucksack ist bis zum Anschlag voll mit Ausrüstung. Wasserflasche und Kleidung für den Zwiebellook. Linke Hand das Stativ, rechte Hand die Vanguard Tasche mit dem Videogeraffel.
Ich bin 3 Stunden vor Sonnenuntergang hier um mich umzusehen. Wo geht was, was geht wo, wie steht das Wasser, wo ist es rutschig und so weiter.

Warten auf´s Licht

Irgendwie connecte ich noch nicht, diese Location ist bei ablaufendem Wasser schwer, ich finde keinen Bildaufbau. Resignierend und die Zeit abwartend setze ich mich irgendwo in die Felsen zwischen die lila blühende Erika. Es zieht wie Hechtsuppe. Ich kauere mich und suche Windschatten. Stück für Stück ziehe ich mehr Klamotten an. Mir ist kalt, ich bin müde und irgendwie ist das hier nichts. Meine Laune ist mies. Dann rüttele ich mich wach. Raik, du bist am Atlantik, du bist allein und das hier ist nicht selbstverständlich. Denn aufgeben ist kein Plan, never!
Ich beobachte Robben im Wasser, sehe den Wellen beim Tanzen im Wind zu und so langsam komme ich zu mir. Immer wieder laufe ich wie ein debiler Käfig-Tiger die Felsen hoch und runter und suche für das gute Licht einen Standpunkt. Dann wird mir klar, ok, du muss jetzt doch dort runter kraxeln, sonst wird das nichts hier. Wie eine Bergziege, vorsichtig, da ich noch eine Woche vor mir habe, balanciere ich mit dem ganzen Gerödel bewaffnet die Klippen runter. Oh well, das sieht ja ganz nett aus, hier geht was. Aber das Schild „slippery when wet“ fehlt. Je grüner desto rutschiger ist es auf den Felsen.

Lighthouse Cornwall © RAIK KROTOFIL
Lighthouse Cornwall © RAIK KROTOFIL

Die Sonne steht gut, Wolken hat es nicht, aber ich bin zufrieden, krabbele zurück und verziehe mich in Richtung Auto. Ich bin durch, ich brauche Kalorien. Im Auto liegt eine Packung Scones aus dem Supermarkt, die brauche ich jetzt. Der Blick zurück in Richtung Insel gibt mir so ein Gefühl. Mampfend laufe ich ein paar Meter zur Klippe, denn die Farbe am Himmel nehme ich noch mit.

Lighthouse Cornwall © RAIK KROTOFIL

Gegen halb Zwölf falle ich tot in mein Bett. Doch auch diese Nacht wird wieder kurz. Kurz vor Vier klingelt der Wecker, aua das tut körperlich weh.

Kurze Nächte und wenig Schlaf

Eine Soutingtour bedeutet sehr viel Fahren. Potentielle Spots werden besucht, angesehen, analysiert. Ich beobachte das An-und Abschwellen der Gezeiten. Je länger ich an einem Ort verweile, desto mehr sehe ich. Diese Ideen wollen final in ein Bild gegossen werden. Nicht immer ist das Wetter und die Bedingungen wie gewünscht. Mein Ziel ist es, qualitativ hochwertiges Bild- und Filmmaterial mitzubringen.

Und dann kommt die Qual, denn entweder fotografiere ich wenn das Licht schön ist, oder ich filme. Drohne fliegen soll auch noch irgendwie reinpassen. Es ist stressig, denn wenn du Drohne fliegst und das Licht wunderbar und golden ist, weinst du, denn das Foto ist nun mal das primäre Ziel.

St. Michaels Mount © RAIK KROTOFIL
St. Michaels Mount © RAIK KROTOFIL

Beliebter Strand und die Suche nach der Steinbrücke

Das Licht wird langsam gut, ich hole mein Zeug aus dem Auto und laufe mit meinen Strandmiefasbachuralt Turnschuhen über die rutschigen Felsen. Flutschhhhh, gerade nochmal abgefangen. Die Schuhe werden beerdigt und die ersten guten Fotos kommen. Sauber, wenn´s so weiter geht. Ich gehe zum Strand und suche einen Steinbogen, den ich auf Fotos von hier gesehen habe. Aber ich finde nichts. Ich frage ein paar Locals am Strand, aber keiner kennt das Ding. Nach einer halben Stunde habe ich den Bogen gefunden. Der ist viel kleiner als erwartet und das Wasser bereits abgelaufen. Dieses Motiv wird heute nichts. Das gehört halt zum Scouting dazu. Alles, was man sich so theoretisch daheim am Rechner zusammenspinnt, muss erst entdeckt werden. Und dann muss es noch funktionieren.

Trebarwith Beach © RAIK KROTOFIL
Trebarwith Beach © RAIK KROTOFIL

Definitive Locations

Heute steht Botallack Mines auf dem Plan, alte Zinnminengebäude am Meer. Auf vielen Fotos bereits gesehen, möchte ich hier die Lage checken.
Es ist gegen 14:00 Uhr, also das unfotogenste Licht überhaupt, aber ich bin hier zum Rumlaufen, Absuchen, Entscheiden und Planen. Nachdem ich das alles gesehen habe, geht es weiter zum Cape Cornwall, gleich um die Ecke. Auch hier gilt es einen bestimmten Punkt in der Bucht zu finden. Nachdem ich einen Plan B für diese Bucht entwickelt habe und den Anfahrtsweg dorthin gefunden habe, geht es weiter in südöstlicher Richtung, mit einem weiten Bogen um Land´s End. Keiner kriegt mich hierhin, sei die Location auch noch so attraktiv. Jahrmarktähnliche Zustände, Menschenmassen, überfüllte Parkplätze, all das ist mir zutiefst suspekt.

Mein Garmin Navi schickt mich wieder durch abenteuerliche Feldwege, es könnte womöglich 21,5 Sekunden Zeit sparen. Den Strand welchen ich suche, bzw. den Zugang dazu, finde ich einfach nicht und Locals verraten mir dann, dass es eine halbe Stunde Marsch die Felsen runter sei – gestrichen! Keinen Bock und keine Zeit für diese „C“ Location. Auf dem Weg zurück zu Botallack Mines halte ich in dem kleinen Örtchen an und mache Pause vom Fahren. Ja, Fahren ist die Hauptbeschäftigung auf einer Scoutingreise, nicht Fotografieren! Ein saftiges Guinness und dazu ein Local Steak (was sich in Form eines Gulasch vor mir ausgebreitet hat) sind jetzt Seelenbalsam.

Botallack Mines
Botallack Mines © RAIK KROTOFIL

Bei Botallack Mines bin ich wieder 3 Stunden vor Sonnenuntergang. Tide beobachten, Filme drehen, Drohne fliegen und ein paar Fotos machen. Doch ich will bewusst frühzeitig abbrechen, denn die benachbarte Bucht am Cape Cornwall brauche ich noch. Die Zeit auf einer Scoutingreise ist limitiert. Ich brauche viel Input und viel Material. Der letzte Shot ist auf dem Sensor und ich hetze zurück zum Parkplatz, schnaufffff. Ab in die Karre und sofort weiter zum anvisierten Feldweg. Parken, Rucksack auf und im Laufschritt renne ich durch dieses malerische Tal. Wie schön es hier ist, ein Bach plätschert durch die bewachsenen Hügel, am Rande pittoreske Mienenruinen. Fu… keine Zeit!
Die Bucht erreiche ich, das Licht ist gerade sehr gut, aber die Felsen sind steil, glatt und das Wasser zu weit weg. Ich eiere über die glitschigen Felsen, ich muss nach vorne an die Wasserkante. Zum Glück ist der Atlantik gnädig mit mir und lässt mich milde in seiner Nähe weilen. Ich mache mit der gebotenen Achtsamkeit meine Fotos und beschließe, dass ich es nicht weiter herausfordern will.

Cape Cornwall © RAIK KROTOFIL
Cape Cornwall © RAIK KROTOFIL

Jetzt kann ich mal Luft holen und laufe die halbe Stunde zurück zum Auto, patschnass geschwitzt, aber glücklich. Das Tal ist so lieblich, es gefällt mir sehr gut hier. Überhaupt bin ich glücklich, zufrieden, euphorisch, dankbar und sowieso sentimental. Das was ich hier mache ist einfach nur geil! Die Energietanks sind leer, aber es sind noch Scones in der Beifahrertüre, her damit. Der Tag ist noch nicht zu Ende. Ich fahre zurück nach Botallack Mines, denn die Mienengebäude will ich noch mit Sternen darüber haben. Nach 10 Minuten Fahrzeit bin ich eh zu früh hier, es ist noch zu hell. Das Autoradio vertreibt mir die Zeit und ich sinniere.

Botallack Mines @ RAIK KROTOFIL
Botallack Mines @ RAIK KROTOFIL

Der Abend endet versöhnlich, Botallack Mines mit Astronomischer Dämmerung und ein paar Sternen über den alten Gemäuern habe ich. Und wieder wird es gegen Mitternacht, als ich das Hotelzimmer betrete.

Die Tage gehen auf meiner Cornwall Reise so oder so ähnlich weiter.
Geschlafen wird in Etappen, Gegessen, wenn kein Licht ist und nebenbei will die Datensicherung auch noch gemacht werden. Das Wetter muss ich auf dieser, wie auf jeder Fotoreise, im Auge behalten, auch die Tidenstände.

Am Ende doch Glück gehabt

Der Blackchurch Rock befindet sich am Ende eines Waldstückes, an einem lieblichen Tal mit Bachlauf und einem rauchenden Mühlengebäude.

Ich bin alleine. Knappe vier Stunden vor Sonnenuntergang bin ich hier. Ich genieße die Ruhe, esse ein wenig und schaue mich an diesem kleinen Strand um. Mein Plan für heute ist, dass der Wasserstand zurückgeht und die aktuell nicht sichtbaren, aber scheinbar vorhandenen Felsen zum Vorschein kommen. Ich mach wieder ein paar Filmtakes, lasse die Drohne fliegen und genieße das kalte Pale Ale, welches ich bei meiner Ankunft in den Bach gelegt hatte. Die Zeit verstreicht, das Wasser geht zurück, aber in meinen Augen viel zu langsam. Immer wieder sehe ich auf meinen Tiden-App, schätze die Wasserhöhe ein und rede mit mir selbst. Das Licht wird sehr gut, golden strahlen die Felsen, aber die Riffles unter Wasser kommen nicht raus. Habe ich mich verzockt?

Ich kühle für später

Geduldig, nein quatsch, ungeduldig warte ich, beobachte das Wasser, feiere jeden Stein, der beginnt aus dem Wasser rauszuschauen. Immer wieder laufe ich am Wasser auf und ab. Das Licht wird blauer, der Atlantik hat meine Selbstgespräche erhört und gibt nun die Felsstrukturen frei. Jetzt aber muss ich, unbedingt! Schuhe aus! Extrem vorsichtig taste ich mich durch das schwarze Wasser. Es ist so dunkel, so dass ich im Wasser nichts mehr sehe. Es ist rutschig, glitschig und ich mag meine Knöchel gerne am Stück wieder mit nach Deutschland zurück nehmen. Jetzt wird die Location attraktiv, so wollte ich das haben. Resümierend habe ich mich bei einem Tidenhub von 7 Metern bei dem Wasserstand um gut einen Meter verschätzt.

Blackchurch Rock © RAIK KROTOFIL
Blackchurch Rock © RAIK KROTOFIL

Das sind die Unwägbarkeiten, die eine Scoutingreise und langes Verweilen vor Ort unabdingbar machen. Die Location muss erkannt werden, das Wasser beobachtet, ja oft ein Gezeitenturnus abgewartet werden, um zu wissen, wann man hier die Früchte ernten kann. Einige Spots funktionieren nicht, andere sind dagegen unerwartet gut und haben extrem viel Potential.

All diese Expertise und Erfahrung braucht es, um unseren Teilnehmern eine einzigartige, erfolgreiche und denkwürdige Fotoreise anzubieten.

Diese Woche in Südengland hat mich über die fotografischen Möglichkeiten staunen lassen, die Cornwall und Devon bieten.

Die letzte ausgebuchte Fotoreise mit Kunden nach Cornwall im Jahr 2023 war ein Erfolg, gegründet auf den Vorbereitungen der Scoutingreise 2019.

In diesem Jahr 2023 war ich für euch zum Scouten auf Madeira, die Fotoreise ist für März 2024 geplant und im Jahr 2024 geht es zum Scouten nach Kasachstan.

Raik

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4 Kommentare Neuen Kommentar hinzufügen

  1. Raik Krotofil sagt:

    Hallo Susanne,

    ja, es steckt viel Arbeit, Herzblut und Liebe in einer sochen Reise. Erst wenn man sich damit mal beschäftigt, sieht man den Aufwand dahinter.

    Ich danke Dir für Deinen Kommentar!
    LG
    Raik

  2. Raik Krotofil sagt:

    Lieber Michael,

    ich danke Dir für diese Worte. Ich freue mich, wenn ich mit meinem Text, der oft so beim Schreiben aus mir raussprudelt, Menschen unterhalten kann. Um So schöner ist es, wenn ich damit auch noch Freude verbreiten kann.
    Liebe Grüße
    Raik

  3. Hallo Raik
    Dein Reisebericht ist weit besser als so mancher Roman, einfach super beschrieben, ehrlich und doch sehr zutreffend. Allein Deine Beschreibung von der Reise macht schon Lust auf eine solche Fotoreise, aber die Fotos sind wirklich, wie von dir nicht anders gewohnt, einfach super. Jedes Bild lädt zum Staunen und Träumen ein.
    Solltest du diese Reise einmal anbieten, da wäre ich wirklich gerne dabei,
    Liebe Grüße aus der Wildschönau
    Michael

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