Hand aufs Herz, wer von euch hat gedacht:
Ein gutes Equipment? Eine Gute Kamera? Tolle Objektive ?
Also als ich damals angefangen habe, waren diese Dinge für mich das Erste und Einzige, woran ich gedacht habe.
Inzwischen weiss ich jedoch:
Auch wenn gutes Equipment sicher nicht schadet, ist es eben mitnichten so, dass gute Landschaftsfotografie in erster Linie der Kamera und /oder der Ausrüstung geschuldet ist.
In den folgenden Zeilen möchte ich euch all jene Aspekte der Fotografie darlegen, ohne deren Beherrschen man nicht imstande sein wird, beständig und vor allem reproduzierbar gute Fotografie zu erschaffen.
In diesem Blogbeitrag geht es somit primär um die
a.) handwerklichen und
b.) kreativen „Skills“, die der Landschaftsfotograf meiner Meinung nach beherrschen sollte.
NICHT DIE KAMERA MACHT EURE BILDER, SONDERN IHR MACHT DAS !
Der “Fotoindustrielle Komplex” war extrem erfolgreich in der Vermittlung der Botschaft, dass gute Fotografie immer und ausschließlich einer “professionellen” weil teuren und mit allem Schnickschnack und allem technischen Vodoo bewehrten Kamera geschuldet ist.
“Kaufen Sie unser neues Model X40000 MKV Series 4 und schlechte Fotos gehören der Vergangenheit an.”
Auch wenn jetzt viele schmunzeln werden, weil ich hier ironisch überhöht habe, so ist es dennoch so, dass viele Nicht-Fotografen immer mal wieder zum Ausdruck bringen:
„Hey, klar sind deine Fotos toll, du hast ja auch eine professionelle Kamera“
Ein Aussage, die unter uns Fotografen mindestens mit einem bösen Blick geahndet wird…
Aber machen wir uns nichts vor:
Auch gestandene Fotografen sind davor nicht gefeit. Es erreichen uns immer wieder Mails, welche sich im Grunde immer wieder um folgende Fragestellung drehen:
“Ich weiss nicht ob euer WS oder eure Fotoreise etwas für mich sind, ich habe NUR eine ”ANFÄNGERKAMERA“.
Als ich angefangen habe, war diese “Denkschule” auch in mir virulent.
Inzwischen weiss ich, dass die “ProfiKamera” deshalb von mir gekauft wurde, weil diese mir in erster Linie den Rücken freihält.
Anders Ausgedrückt:
Weil Sie mir mehr Zeit schenkt, um mich mit den kreativen Aspekten der Fotografie zu befassen.
[green_box]Ich selber liebe Equipment, das mir den Rücken freihält, mir in meiner Kreativität entgegenkommt weil es keine Aufmerksamkeit erfordert. Equipment, das es mir ermöglicht, meine Vision schnell und reibungslos in Fotos zu gießen. Das ist für mich das, was ein FotoEquipment in erster Linie leisten muss. Und genau an dieser Stelle wird es eben ein paar Euro teurer.
Gutes Equipment ist wichtig, aber nicht der Garant für gute Fotografie.[/green_box]
Deshalb lernt eure Kamera kennen, wisst um deren Eigenarten und ihre Funktionen. Lernt, wie ihr eure Kamera zu 100% ausnutzen könnt.
Danach kommt der Basisskill Nummer 2:
LERNT DAS HANDWERK BEHERRSCHEN
Bei aller Technik, Kunstfertigkeit und Kreativität, welche die Fotografie erfordert:
Die Fotografie ist zu allererst ein Handwerk.
Über das Beherrschen des Handwerks wird eure ureigene Kreativität erst freigesetzt.
Erst über das Beherrschen des Handwerks bekommt eure Vision genau die Freiräume, welche benötigt werden um andere Menschen zu erfreuen.
Folgende Handfertigkeiten und Kenntnisse solltet Ihr euch daher aneignen:
DIE TECHNIK DER BE[LICHT]UNGS[KONTROLLE]
Für mich muss jeder Fotograf -wie jeder andere Handwerker auch- seinen Werkstoff, seinen Rohstoff verstehen und in Konsequenz beherrschen.
Verlasst euch nicht blind auf die Belichtungsmessung eurer Kamera, lernt die Unterschiede der verschiedenen Messmethoden und deren Eigenarten kennen!
Was ist der Unterschied der beiden klassischen Messmethoden Integral- und Spotmessung zur neueren Matrixmessung ? Wie kann ich mir das zunutze machen ?
Was bedeutet Motivkontrast und warum ist der so wichtig? Wie und Wann ermittele ich diesen?
Was genau zeigt mir das Histogramm?
Wie kann ich dieses für meine Fotografie nutzen?
All jene unter euch, die mich aus den Workshops kennen, wissen sicher wie viel Bedeutung wir diesen Werkzeugen zukommen lassen.
Ich sage es immer wieder:
Das Histogramm lügt nicht!
(Nein auch JPG Histogramme nicht)
Es zeigt euch sofort, um wieviele Lichtwerte [LW] ihr zu dunkel seit. Es zeigt euch, ob die Tonwerte in eurem Bild optimal gespreizt sind oder nicht.
Es zeigt euch auf einen Blick, ob ihr einen Grauverlaufsfilter oder eine Belichtungsreihe braucht, und darüber hinaus sagt es euch auch, welche Grauverlaufsfilter-Dichten bzw. welches Belichtungsreihen-Bracket Ihr einstellen müsst.
Ihr seht sofort, ob ihr das Foto im Kasten habt oder nicht !
Wer das Histogramm lesen und interpretieren kann, der hat alle Zeit der Welt, sich mit dem Motiv und den kreativen Aspekten der Fotografie zu befassen.
Und genau hier [bei den kreativen Aspekten] fängt die Gute Fotografie an.
LICHT LESEN LERNEN
Wie bei jedem Handwerk auch sollten auch die Fotografen Ihren Werkstoff verstehen und seine Eigenarten für sich nutzen können.
Der primäre Baustein und Werkstoff unseres Werkes ist und bleibt das Licht s.o. 🙂
Jetzt, wo wir wissen, wie man Licht optimal einsammelt, formt und verteilt, sollten wir im Folgenden hingehen und uns mit den vielen Gesichtern unseres Hauptmotivs befassen (für mich ist immer das Licht das Hauptmotiv).
Es ist eben nicht primär die Landschaft, die unser Hauptmotiv ausmacht, sondern das Licht, welches genau diese Landschaft umhüllt, umschmiegt und in Szene setzt.
Befasst euch mit Licht.
Versucht, die Gründe für bestimmte Lichtstimmungen zu verstehen!
- Welche Auswirkungen auf Farben hat direktes Licht ?
- Welches Teile einer Landschaft profitieren am meisten von reflektierendem Licht?
- Was sieht am schönsten aus bei diffusem Licht?
- Warum führt ein geringer Helligkeitskontrast zu einem erhöhten Farbkontrast?
- Und wie kann ich mir diese Erkenntnisse für meine ureigene Fotografie zu Nutze machen?!
Erst wenn Ihr Licht verstanden habt und Licht für eure Zwecke nutzen könnt, werdet Ihr reproduzierbar und mit großer Virtuosität fotografieren können.
PLANT EURE EXKURSIONEN IM VORFELD
Ich kann es nicht oft genug sagen:
Wollt Ihr herausragende Fotos, und wollt ihr viele davon, dann plant eure eigene Fotoreise.
- Wo genau befindet sich meine beiden Haupttagesziele?
- Was liegt noch am Wegesrand dorthin?
- Wie lange sind die Anfahrtzeiten ?
- Welche Auswirkungen haben die Gezeiten auf mein Motiv?
- Wann geht die Sonne / der Mond auf und unter?
Ja, ich weiss, dass ein derartiger Ansatz nicht den Erfolg garantiert!
Der Naturfotograf weiss, das schlussendlich die Natur entscheidet, was an einem Tag geht und was nicht.
Jedoch ermöglicht uns eine gute Planung im Vorfeld, auf die Allüren des Wetters vor Ort flexibel zu reagieren.
Jeder einzelne Fototag ist wichtig und wertvoll, also zollt diesem Umstand den gebührenden Respekt, indem ihr jeden einzelnen Tag im Hinblick auf eure fotografischen Ziele hin strukturiert.
Lasst euch bei aller Planerei jedoch genügend Freiräume zum Müßiggang, zum Tagträumen und Kraft Tanken am Wegesrand.
Wer hetzen muss, um vermeintliche Poster zu “erhaschen” wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit frustiert zurückkehren.
ENTSCHLEUNIGUNG
In unserem beruflichen Alltag werden wir auf ein “effizientes” und “effektives” Zeitmanagement konditioniert, stets sollen wir liefern und performen, Termine einhalten und Leistungsbereitschaft zeigen.
Leistung wird gemessen und mit “benchmarks” in Relation zu einem erwarteten „Gewinn“ gesetzt.
Das alles mag im Berufsleben wichtig, richtig und sinnvoll sein.
Draußen in der Natur jedoch läuft alles anders.
Hier bestimmen Wind, Wetter, Sonne, Mond und Sterne euren Tagesablauf.
Da könnt Ihr noch so effizient sein wie es Euch gefällt, am Ende des Tages entscheidet immer noch der „Wettergott“, ob Ihr ein Poster mitnehmt oder nicht.
Deshalb ist es immer sinnvoll mit der gebührenden Demut an die ganze Sache heranzugehen.
Ihr habt FREI. Ihr habt URLAUB. Der Tag ist euer, nutzt ihn weise.
Ihr seid am Meer ? OK, was hält euch davon ab, euch mit kalten Getränken und einem Picknick-Korb einen ganzen Gezeitenzyklus an diesem einen Ort aufzuhalten ?
Nichts. Ihr lernt die Landschaft auf diese Art und Weise ganz anders kennen, und darüber hinaus offenbaren sich euch die Motive sprichwörtlich im Sitzen und Picknicken.
Glaubt mir, auf diese Weise bekommt ZEIT eine ganz andere Bedeutung, mir zeigt das immer wieder, dass es zwei Welten gibt. Die Berufswelt und die Richtige Welt !
Wer das begriffen hat, gewinnt Kraft auch für seinen Alltag und lernt für sein Leben.
Es tut gut zu sehen, dass es Dinge gibt, die du und ich nicht ändern können.
Es gibt Dinge da draußen, die sind schön um ihrer Selbst Willen !
Wer diese Schönheit sieht, und es schafft, das in einem Foto zu manifestieren, der kann überhaupt nicht anders als gute Fotos mit nach Hause nehmen.
Und wenn wir es besonders gut hinbekommen haben, können wir, über unsere Fotografie andere Menschen erreichen.
Ganz ehrlich Leute:
Wollen wir das nicht alle ? Andere Menschen mit unserer Fotografie berühren ?
Eben…
Das geht am besten wenn die Landschaft uns selber emotional berührt.
Ohne Emotion gibts keine Bindung.
In diesem Sinne:
Möge das Licht euch immer hold sein 🙂
Hallo Serdar,
dein Artikel ist für mich schon Photo-Philosophie.
NICHT DIE KAMERA MACHT EURE BILDER, SONDERN IHR MACHT DAS !
Bam, Volltreffer. Das wissen so viele Kamerabesitzer nicht oder wollen es nicht wahrhaben?
Und für mich ist die Landschaftsfotografie immer Entschleunigung. Gerade im 1. Corona-Jahr, habe ich vor allem an Kurzarbeitstagen soviel Landschaften fotografiert wie noch nie! Und das alles zu Fuß vor der Haustür. Im Radius von etwa 2 KM. Ich bin heute noch erstaunt, wie viele Motive es um mich herum gibt. Klar, ohne vor Sonnenaufgang aufstehen und zur Location marschieren, wäre das auch nicht realisierbar gewesen. Landschaftsfotografie entschleunigt. Man ist auf das Ziel fokussiert. Das Ziel ist eine tolle Lichstimmung. Und wenn eine tolle Lichtstimmung einfängt, bekommt man Glücksgefühle.
Ich liebe die Landschaftsfotografie.
Danke für deine tollen lehrreichen Artikel.
Schönen Gruß
Bernd
Hallo!
Ich kann Serdar in diesen Punkten nur Zustimmen! Wenn das Wetter und das Licht passt, kann man wahnsinns Fotos machen! Die Natur lässt sich nun mal nicht beeinflussen.
Ich war auch zu hektisch an den Locations. Versucht ruhig zu werden. Schaut euch erst alles genau vor Ort an. Genießt die Natur. Und lasst das Ganze auf euch wirken. So seht ihr was dort passiert und könnt euch auch in Ruhe die „richtigen“ Spots suchen.
Klasse Beitrag, Serdar.
Grüße und gutes Licht!
André Wandrei
http://www.andre-wandrei.ch
Hallo
Seit ich 2016 mit Serdar und Adam von Phototours4u auf Teneriffa unterwegs war und dort vor Ort erleben durfte wie wichtig genau diese Punkte sind die Serdar hier beschreibt. Von Histogramm bis Vorplanung der Lokation kann ich den Ausführungen nur beipflichten. Hier ist es zunächst einmal egal welche Kamera der Fotograf in der Hand hält. Die Grundlagen des Handwerks zu begreifen ist der wichtigste Schritt in der Fotografie.
Danke an SERDAR und ADAM
Gutes Licht
Christian Mütterthies