Wasser ist die Lebensader unserer Zivilisation.
Ohne Wasser findet kaum Leben statt.
Im Nordschwarzwald werden deutschlandweit die höchsten Niederschläge außerhalb der Alpen erreicht. Das Regenwasser und auch die Schneeschmelze lassen die Bäche dort schnell anschwellen. Durch die Höhenunterschiede auf kurzer Distanz, sind einige Bäche bereits am Beginn der Steilabfälle groß und dann sehr erosionsstark. Andere von ihnen sind flacher und verlaufen über nur wenige Höhenmeter.
Zu den größten nördlichen zählen der Allerheiligen, der Geroldsauer, das Edelfrauengrab und auch der Gertelbacher Wasserfall.
Der Gertelbach im Bühler Tal überwindet südlich von Baden-Baden einen Steilabschnitt von 220 Meter Höhe in zahlreichen Fallstufen bis zu einer Fallhöhe von fast 7 Metern. Der Hauptfallbereich erstreckt sich über eine Länge von runden 70 Metern. Der Mischwald entlang des Gertelbachs ist geprägt von Weißtannen, Fichten, Rotbuchen, Bergahorn und Eschen.Entlang des naturnahen Bergbaches wachsen Pflanzen, die von der hohen Luftfeuchtigkeit und den kühlen Temperaturen in der Schlucht profitieren.
Die Region des nördlichen Schwarzwaldes ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Im späten Frühling taucht die Landschaft in ein sattes, üppiges grün ab. Im Herbst malen die Farben des Laubes bunte Reflexe in das Wasser und im Winter wachsen Eiszapfen an den Steinen herab.
Die Fahrzeit von einer Stunde von meiner Wohnung zum Gertelbach gibt mir die Möglichkeit, die Wasserfälle zu den verschiedenen Lichtsituationen und Jahreszeiten zu erkunden. Natürlich lässt sich das Wetter nicht immer ganz genau vorhersagen, zu oft ist in den Höhen der Wälder schnell mal Nebel aufgezogen oder Wolken dämpfen die Landschaft ähnlich einer großen Softbox in ein zartes und zurückhaltendes Grün.
Wasserfälle im Herbst
Mein erster Ausflug führte mich Mitte November an der Gertelbach. Meine Vorahnung sagte mir, das wird wohl nicht viel werden. Die Vegetation ist schon im Winter, es wird vermutlich grau werden. Umso erstaunter war ich bei der Ankunft. Das Moos leuchtete in einem unbeschreiblichen Grün und der Einsatz meines Polfilters verstärkte die Intensität dieses Leuchtens noch zusätzlich. Der Novembernebel klebte an diesem Morgen noch im Wald und tauchte die Schlucht in ein mystisches Licht.
Die diesige Luft wirkte wie ein gauscher Weichzeichner. Die Tiefenschärfe wurde dadurch etwas abgemildert und die Färbung des noch verbliebenen Laubes auf den Bäumen wurde intensiver.
Ich arbeitete mich im Laufe dieses Novembervormittags an dem Bach entlang, unzählige Stufen nach oben um immer wieder ohne Kamera mal in die Hocke zu gehen oder einige Steine herab zu klettern. Ich suchte und fand ständig immer neue Perspektiven und Motive. Das ist hier sehr ergiebig dachte ich und drei Stunden reichen bei weitem nicht aus. Hier musst Du wieder herkommen. Schnell stellte ich an diesem Nebligen Tag fest, dass mit dem Polfilter und abgeblendet auf Blende 16 oder 18 und ASA/ISO100 Verschlusszeiten von um die 2 bis 8 Sekunden Zustandekommen.
Noch weiter oben, fast am Ursprung des Wasserfalls des Gertelbaches angekommen, brannte sich die Sonne förmlich durch die Nebelschwaden und zauberte eine unglaubliche Lichtstimmung in den Herbstwald. Lichtfinger streichelten die Buchenstämme und das plätschernde Wasser lies mich staunen und unfassbar demütig vor dieser brachialen Schönheit erstarren.
Schnell wollte ich das auf den Sensor bannen. Ich suchte nach einem Vordergrund am Bach und wurde auch recht schnell fündig. Das Stativ sehr tief aufgebaut hockte ich mitten im Bach. Der Bildaufbau war bereits erledigt, der Polfilter so gedreht, dass die Lichtreflexe im Wasser ausgeglichen wurden. Der ganze Zauber dauerte keine viertel Stunde und die Sonne strahlte nun grell ohne Nebel und die Lichtstrahlen im Wald waren verschwunden.
Im Winter
Einige Monate später konnte ich meine Idee, am Wasserfall bei Vollmond zu fotografieren, umsetzen. Ende Februar war endlich eine Nacht nahe dem Vollmond mit wenig Wolken und Aussicht auf Erfolg. Der Schnee war ausreichend um eine ganz andere Motivsituation als bei Tageslicht zu bekommen. Um zu Erfahren, welche Uhrzeit hierbei die Beste ist, nutzte ich das Tool, welches auch als App für Andriod oder I-OS gibt, The Photographer’s Ephemeris. Mittels TPE konnte ich sehen, dass der Mond genau zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr über der Schlucht stand und die Landschaft ausleuchtete. Früher oder später wäre hier zum fotografieren kein Mondlicht gewesen.
Ich bin also wieder eine Stunde ins Bühler Tal zu den Gertelbacher Fäll gefahren und zog mit Stativ und Rucksack durch den knietiefen Schnee. Die Lichtsituation war alles andere als leicht zu beherrschen. Immer wieder zogen Wolken vor den Mond und die noch eben gemessene und errechnete Belichtung passt nicht mehr. Da half nur geduldiges Warten in der minus 8 Grad kalten Nacht.
Im Frühling
Es war Anfang April, als ich vor hatte, das noch zart spießende Grün des Frühlings am Gertelbach zu fotografieren. Der Winter 2012/2013 macht mir aber mit einem zu kalten März damit einen Strich durch die Rechnung. Angekommen stellte ich schnell fest, dass in der Schlucht, die nur für kurze Zeit das wärmende Sonnenlicht abbekommt, noch Schnee lag und die Wasserläufe mit Eiszapfen bestückt waren. Nun gut, machen wir das Beste daraus. Doch schnell stellte sich heraus, dass die Gegenbenheiten auch ihren Reiz haben und wiederrum für neue Sujets sorgen.
Zwischen Mitte und Ende Mai blühen an dem Wasserfall in Geroldsau zahlreiche Rhododendron-Büsche. Die vielen Regenfälle im Mai 2013 und der allgemein zu kühle Wonnemonat haben die Blüte verschoben. Es dauerte einige Wochen, bis das Wetter und die Bedingungen für mich perfekt waren, um mein geplantes Projekt Rhododendron zu ermöglichen.
Die Regenfälle der letzten Tage ließen die Bäche und Flüsse in der Region enorm anschwellen. Auf der Zufahrt nach Geroldsau lagen Sandsäcke vor den Häusern an der Hauptstraße und mir schwante schlimmes. Wird die Zufahrt durch Geröll erschwert oder trägt der Wasserfall so viel Wasser, das alles überschwemmt ist. Zum Glück nicht, ich kam ohne weiteres gut durch. Die Wassermassen, die sich durch das Bachbett schoben und bereits im Uferbereich etliches an Land abgetragen hatten, erzeugten einen ohrenbetäubenden Krach. Eine geordnete Struktur für einen vernünftigen Bildaufbau war schwer zu finden, zu viel Wasser überschwemmte die Felsen im Bach. Aber die Rhododendren blühten, wie ich es nie erwartet hätte. Viele große Büsche in den verschiedensten Farben strahlten in der späten Mittagssonne. Es stellte sich heraus, dass auch einige Kajak-Fahrer mit ihren Booten wagemutig durch das Wasser schossen und am Hauptfall beim Sturz in die Tiefe ihren Spaß hatten. Ich war mit der Kamera zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Fleck angekommen und konnte das Schauspiel festhalten.
Im Sommer
Der Spätfrühling und frühe Sommer 2014 waren sehr regenarm. Nach drei Wochen ohne Niederschlag regnete es endlich Ende Juni und ich nutzte diesen feuchten Sonntag gleich zur Fahrt in den Nordschwarzwald. Ich hatte alle Jahreszeiten bereits durch, nur fehlten mir noch Fotos mit dem satten grün der zahlreichen Buchen. Und wieder war es ideal für solche Aufnahmen. Der Regen der Nacht hatte den Bach und die Kaskaden wieder mit Wasser gefüllt. Das Grün war sanft ausgeleuchtet, da die Wolkendecke die grelle Sommersonne verbarg. Gemütlich bin ich ab dem Fuß der Fälle auf runden 450m üNN rumgeschlichen, da mal geschaut, dort mal probiert und schnell meine Fotospots entdeckt. Ich arbeitet mich bis auf runde 610m üNN nach oben und schon waren wieder eineinhalb Stunden wie im Flug vergangen.
Ich gehe an Wochenenden in der Regel nicht an solch stark frequentierte Fotospots. Doch die Nässe hielt die Wanderer noch zurück. Vereinzelt mal ein Pärchen, das sich über meine Kraxelein mit dem Stativ wunderte.
Ich kann nur an jeden, der an Wasserfälle zum Fotografieren geht appellieren: passt auf!
Es war durch den Regen extrem rutschig. Es ist schwierig, balancierend mit dem Rucksack auf dem Rücken und Stativ in der Hand die Trittsicherheit zu behalten. Erst recht, wenn man sich immer wieder in die Hocke begibt, 20 Sekunden verkrampft in den unmöglichsten Stellungen steht, mit einem Bein auf einem Stein, den anderen Fuß halb im Bach. Das dauernde auf und ab, die Kletterei und das Laufen die Steilen Pfade hinauf zehrt an den Kräften und der Konzentration. Jeder Schritt über die Felsen sollte überlegt und bedacht sein. Glitschig sind die Granitsteine, die Wurzeln rutschig. Dazu schwitze ich schnell unter der Jacke. Es gab Stellen, die mich extrem gereizt haben, aber ich dann doch aus Sicherheitsgründen nicht dort hin geklettert bin. Der Vorteil im Sommer ist jedoch, mit den Wanderschuhen auch mal durch tiefere Stellen laufen zu können und nicht gleich bei nassen Socken kalte Füße zu bekommen.
Ausrüstung
Auf meinen Touren an die Wasserfälle habe ich stets mein Gitzo-Stativ, einen Fernauslöser, Pol- und ND Filter dabei.
Bei den Objektiven nutze ich meist das Canon 17-40 4.0L sowie das Canon 70-200 4.0L an meiner 5D MKII.
Wichtig ist rutschfestes und griffiges Schuhwerk. Die Steine im und am Wasser sind extrem rutschig und schnell kann man sich hier verletzen. Mobiltelefone haben in den Schluchten oft kein Empfang und ein Notruf wäre nicht möglich. Gute Outdoorbekleidung hat mich schon vor dem Nasswerden beim unfreiwilligen Abflug ins Wasser geschützt. Kameraschutz gegen Regen und oder Wasserspritzer ist unerlässlich. Da kann eine einfache Mülltüte mit Loch für das Objektiv und ein paar Gummiringen schon sehr preisgünstig helfen, ein kleiner Schirm tut sein übriges. Ein Mikrofasertuch zum Reinigen der Filter und Objektive bei Wasserspritzern ist stets in meinem Rucksack.
Doch wie nun Wasserläufe fotografieren?
Wasser bedeutet Moos und Pflanzen, Wasser bedeutet Lichtreflexe auf selbigem.
Dazu ist der Polfilter mein A und O. Er nimmt Pflanzen den Glanz und erzeugt ein sattes Grün.
Dazu reduziert ein Polfilter die Lichtmenge und verlängert damit die Belichtungszeit um 2 Blendenstufen.
Im Wald ist per se weniger Licht. All diese Komponenten bedingen längere Belichtungszeiten. Ein zusätzlicher ND- Filter ist in meinen Augen nicht notwendig. Gerade bei starker Bewölkung komme ich immer wieder auf Zeiten/ Blendenkombinationen von um die zwei Sekunden bei Blenden von 14 bis 16.
Die ISO/ASA Werte liegen dabei im Bereich von 400 bis 800. Je nach Geschwindigkeit des fließenden Wassers können die Belichtungszeiten für die gewünschte Bildwirkung variieren. Ich versuche gerne unterschiedliche Belichtungszeiten, das kann auch mal 1/4 Sekunde sein, damit das Wasser noch etwas Struktur behält. Ich setze im Wald oft einen Grauverlauf mit 2 Blendenstufen ein, um den Himmel oder das durchscheinende Licht im Hintergrund abzuschwächen. Noch einen Trick aus meiner Fotokiste: Wenn es zu hell wird und/oder mit ISO/ASA und Blende das Licht nicht mehr zu regeln ist, schiebe ich einen Grauverlauf zur Verlängerung der Belichtungszeit auch gerne mal komplett vor das Objektiv.
Eine Schwierigkeit ist bei fließendem Wasser schwer in den Griff zu bekommen. Durch die Wasserbewegung ist ständig ein kleiner Wind vorhanden. Die Äste der Bäume und die Farne am Wasser sind fast nie still. Bei solchen Bedingungen kombiniere ich auch gerne mal 2 Aufnahmen mit unterschiedlichen Verschlusszeiten miteinander, eine längere für das Wasser und eine kurze mit hoher ISO/ASA für das Laub.
Raik Krotofil