TELEOBJEKTIVE IN DER LANDSACHAFTSFOTOGRAFIE
Ein Großteil meiner Fotografie findet im Bereich der Ultraweitwinkel Brennweiten statt.
Je weitwinkliger das Glas vor der Kamera umso wichtiger wird der Vordergrund,
Das liegt darin begründet, dass Weitwinkelobjektive die vorgefundene Szenerie dehnen wobei der Vordergrund überproportional betont wird.
Ein Kieselstein von der Größe einer Faust wird dann schonmal zum Gegenpol einer Kilometerlangen Bergkette.
Der Fotograf muss hier seine Bildgeschichte um einen, auf solidem visuellen Fundament stehenden, Vordergrund herum bauen.
Die vorherrschende Bildsprache bei Weitwinkelobjektiven ist episch, wortreich und wenn man hier nicht penibel auf einen sauberen Bildaufbau achtet kann es in ein beiliebiges visuelles Geschwafel abdriften.
Hier muss man wirklich schauen, dass der gewählte Vordergrund solide (weil interessant) ist, auch sollte ein guter weil der Bildsprache zuträglicher Mittelgrund vorhanden sein.
Durch das dehnen der Perspektive wird der Hintergrund mehr oder weniger zur Staffage, diesen hat der Fotograf im Bild ob er will oder nicht.
Da ich seit Jahr und Tag mit diesen Brennweiten arbeite ist es inzwischen so, dass ich an einem für mich neuen Ort gar nicht mehr die Kamera vor meine Augen halten muss. Ich kann ohne einen Blick durch den Sucher werfen zu müssen, die spätere Bildwirkung für mich visualisieren.
Ich will mich aber auch weiterentwickeln, ich möchte meine Bildsprache erweitern und meine Bildgeschichten nicht immer in Form eines Epos erzählen.
Kurzgeschichten haben eben auch Ihren Reiz:
WARUM TELEOBJEKTIVE ?
Wenn ein Ultraweitwinkelobjektiv die Szenerie und die Perspektive derselben (aus)dehnt, tut ein Teleobjektiv genau das Gegenteil davon..
Hier wird etwas gerafft, gestaucht hier werden Dinge zursammengerückt.
Dinge die weit auseinanderliegen und keinerlei Berührungspunkte aufweisen erscheinen bei der Verwendung eines Teleobjektivs als gehörten Sie zusammen.
Erscheint eine Landschaft durch die Verwendung eines Weitwinkelobjektiv als weitläufig so wird aus der selben Landschaft mit einem Teleobjektiv ein kompaktes gemütliches und sehr flaches Arrangement.
Lässt man beim Einsatz des Weitwinkelobjektivs seinem Betrachter die Möglichkeit die von uns vorgefundene Landschaft für sich zu erschließen und darin visuell zu wandern dabei Details zu entdecken, so nimmt man den Betrachter bei der Telefotografie bei der Hand und zeigt Ihm nur das was uns bei der Aufnahme der vorgefundenen Situation als Erzählenswert erschien.
TELEOBJEKTIVE HABEN EINE EIGENE BILDSPRACHE
Was ich an Telebrennweiten so mag ist dass man einen wunderbaren Gegenpol zum Weitwinkelobjektiv in Händen hält.
Man kann Details betonen, Farben und Formen zum Hauptmotiv machen ohne das zwingend ein auf den ersten Blick erkennbares Hauptmotiv offenbar wird.
Wenn Weitwinkelobjektive wie ein Sonett daherkommen, dann ist ein guter Teleshot eine Überschrift.
Auf diese Weise kann man seine eigene fotografische Vision um eine weitere Erzählweise erweitern und aus ein und dem selben Motiv gegenläufige Welten erschaffen.
Ihr steht auf impressionistische Malerei ?
Malt euer Ding mit Licht !
Ihr wollt ein Wetterphänomen isolieren und dem Betrachter förmlich unter die Nase reiben?
Tut es !
Euch fasziniert ein Detail ?
Offenbart es !
Am besten geht das alles mit einem hochgeöffneten bzw. lichtstarken Objektiv.
WARUM SOVIEL GELD FÜR EIN 2.8er ZOOM BEZAHLEN ?
Ganz einfach weil hochgeöffnete Objektive gerade im Telebereich den „BildSpringtDenBetrachteran“ Effekt per se mitbringen.
Es mag ja sein dass ein gutes stabilisiertes Objektiv der 70–300mm Liga mit einer Anfangsblende von 4.5 ähnlich scharf abbildet wie ein Telezoom mit durchgängiger Blendenöffnung von 2.8.
Aber nur ein hochgeöffnetes Glas bringt die plastizität und Tiefenstaffelung so gekonnt rüber, dass beim Betrachten der Bilder den Boahh hervorruft.
Das Spiel mit Schärfe und Unschärfe erzeugt sehr zuverlässig den Eindruck von dreidimensionalität auf einem zweidimensionalen Trägermedium (Print und oder Screen).
Wer einmal mit einerm Telezoom mit einer 2.8er Öffnung fotografiert hat der wird schnellstmöglich zusehen, dass es sich ein solches beschafft.
Davon bin ich fest überzeugt. 🙂
RECHERCHE UND KAUFENTSCHEIDUNG
Naja bei mir war es auf jeden Fall so wie weiter oben beschrieben.
Ein lichtstarkes Tele musste also her, nach kurzer Internetrecherche kristallisierte sich für mich das AF-D Nikkor 80–200mm ED in der Version mit Drehzoom als klarer Favorit heraus.
Wichtigster Grund für mich war der verhältnismäßig günstige Preis und die von allen Besitzern über alle Maßen gelobte optische Qualität des Objektivs in Verbindung mit der herausragenden Verarbeitung.
Hinzu kam der Umstand dass zum Zeitpunkt meines Kaufs das neuere 70–200mm VR noch in der Version 1 verfügbar war. Ein Objektiv das an einer Vollformat Kamera mit enormen Randunschärfen zu kämpfen hatte.
Mein Nikkor AF-D 80–200mm f–2.8 ED habe ich in einem sehr gepflegten Zustand für 650.- EuroTacken inklusive Gegenlichtblende und Lederköcher erstehen können.
Ich finde das ist mehr als preiswert für ein derartig gutes Objektiv.
VERARBEITUNG UND HAPTIK
Erster Eindruck nach dem Auspacken:
„Gott ist das schwer“ | „Mannometer ist das massiv“ | „Holla die Waldfee“ der Zoomring dreht sich wie ein Löffel im Honigglas.
Das Objektiv ist aus Metall und fasst sich sehr hochwertig an,. der Blendenring rastet präzise (Ja es hat tatsächlich noch einen Blendenring) und die Zahlen im Blendenring sind bestens lesbar.
Die Oberfläche des massiven Objektivtubus ist mit einer Art erhabener „Pulverbeschichtung“ (etwas anderes fällt mir als Bezeichnung nicht ein) versehen.
Man begreift sofort: „Hey hier meint man es ziemlich Ernst mit dem Maschinenbau“.
Das Objektiv ist mit fast 19cm recht lang und wiegt: Ähhmmmm nunja 1300g. Also fast anderthalb Kilogramm.
Wer wie ich viel bei wenig Licht und in der Landschaftsfotografie zugang ist wird es also Schätzen das die Optik eine solche mitbringt.
DIE STATIVSCHELLE
Bei einem Objektiv mit diesem Gewicht und einer Länge von fast 19cm ist es sehr wichtig, dass es sich gut und Stabil auf dem Stativ befestigen lässt.
Die Stativschelle ist sehr gut verarbeitet, ein weiterer Bonus einer solchen Schelle ist der Umstand dass man die Kamera und OBjektivkombi mit einem Dreh an der Stativschelle schnell und bequem vom Quer- ins Hochformat drehen kann.
Das geschieht dann ohne lange das gesamte Setup von Kamera und Objektiv umstellen zu müssen. Spart Zeit insbesondere wenn das Licht uns wegläuft 🙂
Leider liegt die Schelle sehr flach am Objektiv an, was leider dazu führt dass man seine Hand nicht zwischen Stativanschluss und Objektiv ablegen kann.
Ist etwas unbequem aber für mich ein erträgliches „Manko“.
AF FUNKTION
Das dieses Objektiv zwanzig Sonnenumrundungen oder Lenze auf dem Buckel hat, merkt man daran dass es eben keinen Ulraschallantrieb für den AF aufweist sondern über eine Stange angetrieben wird.
Das hat drei Folgen:
- Man kann im AF Betrieb den Fokus nicht manuell verändern oder in den Fokussiervorgang eingreifen
- Die Geschwindigkeit der Scharfstellung ist abhängig vom in der Kamera eingebauten Motor, je stärker dieser ist umso schneller erfolgt der Fokussiervorgang (desweiteren heisst das auch das die Einsteiger Kameras von Nikon wie bspw. die D5000 den AF gar nicht ansprechen können da diese Bodies gar keinen AF Motor haben)
- Der Fokussiervorgang ist im Vergleich zu einem Ultraschallmotorgetriebenen Objektiv sehr laut.
Ich für meinen Teil kann mit diesen Einschränkungen eigentlich sehr gut leben.
Es sei an dieser Stelle jedoch angemerkt dass es beim Einsatz von großen Nikon Bodies wie bspw. der D3 oder D4 der interne Motor der Kameras den AF Gang oder Ring beschädigen kann.
Ist mir selber passiert und die Reperatur hat mit 125.- Euronen gekostet.
Möchte man mit dem Objektiv manuell Fokussieren so muss man am vorderen Teil des Objektivs einen Knopf drücken und einen Ring von AF auf M umstellen.
Wer auf das letzte Quentchen an AF Geschwindigkeit angewiesen ist wird den Limiter betätigen wollen. Dieser Schieberegler bewirkt dass man dem Objektiv mitteilt, dass es nur einen Teil des Fokussierbereichs nutzt.
OPTISCHE QUALITÄT
Das wichtigste zuerst:
Das Glas ist im vollen Umfang Offenblendtauglich und auch bei f2.8 Kontrastreich und bis in die Ecken scharf. Überhaupt gehört es für mich zu den Kontrastreichsten und schärfsten Gläsern in meinem Rucksack.
Was es in meinen Augen aber zu einer absoluten Traumlinse für meine Art der Fotografie macht ist das es wunderbare Blendensterne rendert.
Aber seht selber:
Warum ist das so ?
Nun damals hat man wohl die Blendenlamellen noch nicht so abgerundet wie man es heute macht. Blendensterne treten immer dann auf wenn man ein Objektiv abblendet.
Wenn ein Objektiv eine gerade Anzahl von Blendenlamellen hat wird die Lichtquelle genau diese Anzahl an Strahlen aufweisen. Bei Objektiven wo die Anzahl der Lamellen ungerade ist wird die Lichtquelle mit der doppelten Anzahl von Strahlen dargestellt.
Bei meinem geliebten AF-D 80–200 ED f–2.8 wird eine Lichtquelle mit 18 Strahlen wiedergegeben.
Und wie man sehen kann werden die Blendensterne sehr fein und extrem ausgeprägt wiedergegeben. Ich finde das extrem Sexy.
Wenn das einen schlechten Einfluss auf das Bokeh bei Offenblendnutzung hat, ist mir das bei meinen People Aufnahmen noch nicht aufgefallen.
Inzwischen gibt es ja von Tamron bspw. wirklich sehr gute und auch Zeitgemäße Objektive die für verhältnismäßig wenig Geld gekauft werden können und ähnlich scharf und kontrastreich abbilden wie das hier beschriebene Nikkor.
Meines Wissens nach jedoch nicht mit so schön ausgeprägten Blendensternen.
Für mich mit ein Grund warum ich das Objektiv nicht missen möchte.
Dieser Aspekt ist für mich wichtiger als eine im Objektiv verbaute Bildstabilisierung oder ein Ultraschallmotor für die Funktion des Autofokus.
Außerdem schenkt es mir wunderschöne Fotos:
MAKEL
Wo viel Licht ist nun da ist eben auch Schatten. Im Fall dieses Objektivs ist es eine nicht von der Hand zu weisende Neigung zu Flare und Ghostingeffekten.
Wenn man in die Sonne Fotografiert und so wie ich meistens ohne Gegenlichtblende arbeitet wird es extrem schwer diese beiden Dinge in den Griff zu bekommen.
Man muss in solchen Fällen zwingend mit der Gegenlichtblende arbeiten.
Das ist aber keine Eigenart die nur dieses Objektiv an den Tag legt, nicht umsonst haben alle mir bekannten Objektive im Telebereich eine recht große Gegenlichtblende.
Das ist aber dann auch der einzige wirkliche Schwachpunkt des Objektivs.
Würde ich es wieder kaufen ?
Ja, auf jeden Fall.
Alleine schon wegen der Blendensterne 🙂
Soweit meine Eindrücke aber was meint Ihr habt ihr eure Telezooms auch in der Landschaftsfotografie im Einsatz ? Seit ihr ähnlich fasziniert wie ich oder ist Tele nicht für euch ?
Gerne her mit euren Erfahrungen 🙂
Links zu euren Berichten sind auch gern gesehen.
Hallo Serdar,
danke für deine Einschätzung. Du hast mir die Entscheidung wieder schwieriger gemacht 😀 Preislich spielt es ja wirklich keine Rolle ob 4.0 mit Stabi oder 2.8 ohne, von daher muss ich jetzt noch in mich gehen… Was die Blendensterne bei den UWW angeht hast du natürlich recht, da macht mein 16-35mm f/2.8 schon was feines. Und so schlecht sind die Ecken auch nicht wie immer alle sagen 😉
Danke nochmal und mach weiter so!
LG, Gerhard
Hallo Gernhard,
es freut mich RIESIG das dir der Eintrag gefallen hat ! Aber noch wichtiger ist das ich dir damit „Futter“ für deine eigene Kaufentscheidung habe an die Hand geben können. Leider das muss ich einräumen sind keine Beispiele für Offenblendeffekte dabei. Grundsätzlich kann ich aber nur betonen: Wenn es irgendwie geht nimm ein 2.8er Telezoom. OK die sind schwer und dick und alles aber gerade an Vollformatkameras spielen die Dinger ihre optische Wucht voll aus ! Ausserdem Lichtstärke ist meiner Meinung nach mit nichts zu ersetzen ausser mit Lichtstärke 🙂 Das Canon L 70.200mm 2.8 USM gilt zu recht als legendär !!! Wenns irgendwie geht kaufen !
Was die Blendensterne angeht: Hey ihr bei Canon habt im UWW Bereich Linsen die das ähnlich gut hinbekommen wie ich mit meiner ollen Nudel aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts 🙂 Zu nennen wäre das neue 16-35mm F 4.0 L oder das alte 16-35mm L 2.8 das aber am Rand schwächen hat.
Auf jeden Fall wünsche ich dir Tonnen an Spass mit deiner neuen Einäugigen Göttin 🙂
GLG
Wirklich wieder ein sehr schöner und lesenswerter Bericht Serdar, zumal ich gerade selbst überlege, mir ein Telezoom zu holen. Als Canon-Fotograf stehen mir da ja auch einige zur Verfügung und ich hätte jetzt eher zum 70-200mm f4.0 IS USM tendiert. Jetzt schreibst du aber, dass die Offenblende von 2.8 nochmal einen starken Unterschied machen würde… Kannst du da nochmal was dazu sagen, ich meine zum Unterschied zwischen 2.8 und 4.0? Oder bezog sich das eher auf 2.8 vs. 5.6? Da leider alle Canon-Varianten nur 8 Blendenlamellen haben, wird das mit den schönen Blendensternen ja leider schon mal nichts…
Viele Grüße,
Gerhard